Im Archiv des Bistums Passau werden drei lateinische Messvertonungen von Johann Adam Scheibl in den Tonarten g-moll, d-moll und D-Dur aufbewahrt, welche alle mit „Missa brevis“ überschrieben sind. Für die Erstveröffentlichung fiel meine Wahl auf die Missa Brevis in D-Dur.
Auf dem originalen Umschlag ist folgendes zu lesen:
Missa ex D, brevis.
à
Canto, Alto,
Tenore, Basso,
Violetta
Violis 2 ad libit:
Organo & Violone.
Ad Montem B. V. M. Passav:
Sub Vincentio Schmid, P. T.
chori Regente 1759
Vinzenz Schmid (1714 – 1783), der vermutlich die Abschrift anfertigte, war 1736 – 1745 als Organist im oberösterreichischen Benediktinerstift Kremsmünster tätig. 1745 wurde er als Domorganist an den Passauer Dom berufen. Noch im gleichen Jahr erhielt er seine Beförderung zum Hoforganisten.
Als Kirchenmusiker wirkte Schmid auch in anderen Kirchen der Stadt Passau. So war er als Organist in der Stadtpfarrkirche St. Paul, im Heilig-Geist-Stift und an der Wallfahrtskirche Mariahilf ob Passau tätig. Auf dem Mariahilferberg bekleidete er zudem das Amt des Chorregenten. 1762 wurde er zum Vizekapellmeister der hochfürstlichen Hof- und Kammermusik ernannt.
Die vorliegende Missa brevis lebt von der geschickten Gegenüberstellung von Soli und Tutti-Stellen. Denkbar wäre aber auch, dass Scheibl an eine solistische Ausführung seiner Messvertonung gedacht hat. Dann wäre die Vorschreibung S. (für Solo) und T. (für Tutti) als Hinweis für den Sänger gedacht, ob er solistisch oder im Ensemble musiziert. Die textintensiven Sätze Gloria und Credo sind durch Polytextur sehr knapp gehalten.
Die schon im 18. Jahrhundert selten gewordene Violetta (vermutlich eine kleine Bratsche) in Verbindung mit zwei Violen könnte ein Hinweis sein, dass Scheibl die drei Messen als Auftragswerke für die Wallfahrtskirche Mariahilf schuf. Messvertonungen von Scheibl in dieser Besetzung sind nur in Mariahilf ob Passau überliefert.
Parallel zur originalen Streicherbesetzung und den damit verbundenen originalen Sopran- und Altschlüsseln gibt es in dieser Veröffentlichung auch die Möglichkeit zur Aufführung mit zwei Violinen (wozu die beiden Stimmen auch im Violinschlüssel vorliegen) und Bratsche.
Leider sind die originalen Stimmensätze unvollständig und es fehlen Viola seconda und Organo. Die Viola seconda–Stimme konnte analog zur Tenorstimme mühelos ergänzt und die Bezifferung der Organo-Stimme gemäß der Harmonie rekonstruiert werden.
Auf Grund der gewissenhaft angefertigten und nahezu fehlerfreien Abschrift, konnte bei der vorliegenden Erstausgabe auf jegliche Ergänzungen oder Angleichungen von Parallelstellen verzichtet werden.
Ein herzliches Dankeschön an Frau Prof. Dr. Hannelore Putz, Archivdirektorin des Archivs des Bistums Passau für die Bereitstellung der Originalnoten. Mit der Herausgabe der Missa brevis in D möchte ich eine sehr praxisorientierte Messvertonung vorlegen und bei dieser Gelegenheit auf das kompositorische Schaffen von Johann Adam Scheibl (1710 – 1773) aufmerksam machen, dessen Todestag sich 2023 zum 250sten Male jährt.
Wien im Dezember 2022
Mag. Johann Simon Kreuzpointner
Leiter der Abteilung Kirchenmusik der Diözese St. Pölten